Wenn die eigene Kamera nicht glücklich macht… / Blog

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Die Fotografie hat sich seit ihrem Entstehen als Teil der schönen Künste lange um ihren Platz in der Kunstwelt bemüht. Ihre technische Komponente, der hohe technische Anteil bei der Entstehung von Bildern, führte lange dazu, dass ihr das Künstlerische abgesprochen wurde. Auch in heutigen, modernen Kameras bleibt die Technik mehr als präsent, wenngleich der digitale Aspekt zunehmend dominiert.

Es ist immer wieder faszinierend zu beobachten, wie viele Hoffnungen und Erwartungen in eine Kamera gesetzt werden. Der Wunsch, durch den Besitz einer neuen, besseren oder moderneren Kamera die eigene Fotografie zu verbessern, ist weit verbreitet. Und tatsächlich – diese neuen Geräte bringen in technischer Hinsicht eine Verbesserung. Höhere Auflösung, weniger Bildrauschen – sofern einem diese Aspekte wichtig sind. Der Autofokus wird immer präziser, die Kamera scheint beinahe automatisch auf das Motiv zu scharfzustellen. In technischer Hinsicht sind die Fortschritte unbestreitbar.

Doch die entscheidende Frage bleibt: Wie wirkt sich diese Technik auf den Fotografen selbst aus? Der Mensch hinter der Kamera bleibt oft hinter den Erwartungen zurück, die an die neue Ausrüstung gestellt werden. Höhere Auflösung, weniger Rauschen, gestochen scharfe Bilder – all das bedeutet nicht zwangsläufig, dass die eigene Kreativität genauso rasch ansteigt.

Es ist interessant zu sehen, wie Fotografen mit ihrer Ausrüstung umgehen. Zwei Geschichten dazu:

Eine Person, die seit Jahren mit einer aus heutiger Sicht veralteten Kamera arbeitet, lebt ihre Kreativität aus. Für viele wäre diese Kamera nicht mehr zeitgemäß, zu niedrig in der Auflösung, das Bildrauschen zu stark – ein Alptraum für Pixel-Fanatiker. Doch was passiert, wenn diese Kamera durch einen Sturz beschädigt wird und eine Reparatur sich nicht mehr lohnt? Die Reflexreaktion der meisten Fotografen wäre wohl, eine neue Kamera zu kaufen. Doch nicht alle tun das.

Für einige wird die Kamera irgendwann zu einer vertrauten Erweiterung ihrer Kreativität. Man kennt sie, weiß, was sie kann, und wie man sie einsetzen muss. Man bedient sie fast blind, und die Kamera bleibt ein Werkzeug – ein wertvolles, weil vertrautes Werkzeug. Statt also in neue Geräte zu investieren, kann es sinnvoll sein, im Gebrauchtmarkt nach dem alten Modell zu suchen. In unserer schnellen Konsumgesellschaft ist es ohnehin meist einfach, ein passendes Gerät zu finden. Mit der „neuen alten“ Kamera lässt sich die Arbeit nahtlos fortsetzen. Die Technik ist vertraut, der kreative Prozess kann wieder aufgenommen werden, ohne dass man sich erneut mit der Technik auseinandersetzen muss. Zudem ist es eine nachhaltigere Entscheidung als der Kauf eines komplett neuen Geräts.

Der Defekt der Kamera war zwar ärgerlich, aber die Entscheidung, mit dem alten, vertrauten Werkzeug weiterzuarbeiten, ist eine, die mehr für die persönliche Entwicklung als Fotograf:in bedeutet als der Kauf eines brandneuen Modells.


Ein anderes Beispiel: Eine Person, die nach einer längeren Pause wieder mit der Fotografie beginnen möchte, muss sich für ein neues Kamerasystem entscheiden. Angesichts der Vielzahl an Optionen ist diese Wahl oft alles andere als einfach. Die Auswahl ist nahezu unüberschaubar, und je nachdem, wen man fragt, bekommt man ganz unterschiedliche Empfehlungen. Freunde, Verkäufer und das Internet – alles scheint nur Verwirrung zu stiften.

Am Ende fällt die Entscheidung: Die neue Kamera ist gekauft, zusammen mit Objektiven und Zubehör. Doch oft fällt die Wahl auf keine einfache, benutzerfreundliche Kamera, sondern eher auf ein technisches Meisterwerk mit einer Vielzahl von Funktionen. Und hier zeigt sich ein Problem: Selbst Kameras, die als minimalistisch gelten, bieten oft mehr Technik, als der Fotograf braucht. Statt ein einfaches Werkzeug in der Hand zu halten, wird der Fotograf in eine Welt von unzähligen Optionen und Einstellungen entführt, die die Freude an der Fotografie schnell dämpfen können.

In vielen Fällen wird man sich dann fragen: Sollte man nicht vielleicht zu einer anderen Kamera greifen, einer noch reduzierten Version oder gar einem analogen Modell? Die Entscheidung für eine analoge Kamera bedeutet, einen deutlichen Schritt zurück in der Technologie zu machen, aber es reduziert das Gerät auf das Wesentliche – ein Werkzeug zur Umsetzung kreativer Ideen.

Natürlich ist der Prozess der analogen Fotografie langsamer. Aber genau das kann eine Stärke sein. Ohne die Hektik des digitalen Zeitalters bleibt mehr Zeit, über die Bilder nachzudenken und den kreativen Prozess zu genießen. Diese Langsamkeit kann paradoxerweise zu mehr Raum für Kreativität führen.

Warum aber muss in der Fotografie – besonders im Amateurbereich – immer alles schnell gehen? Viele beginnen mit der Fotografie, um dem stressigen Alltag zu entfliehen. Warum sollte man dann im kreativen Prozess denselben Druck verspüren, den man auch im Beruf kennt?


Es ist also durchaus verständlich, warum jemand immer wieder zu einer vertrauten Kamera zurückkehrt. Es zeigt sich auch, dass die beste Kamera nicht zwangsläufig das Glück in der Fotografie bringt. Denn Fotografie ist mehr als nur das richtige Werkzeug – es ist ein kreativer Prozess, der durch viele Faktoren beeinflusst wird.

In dem einen Fall wird die Rückkehr zur vertrauten Kamera zur Quelle neuer Freude, und mit der Zeit vergisst man fast, dass es sich um ein anderes Modell handelt. Im anderen Fall zeigt sich, dass auch eine neue, hochmoderne Kamera nicht das ersehnte Glücksgefühl in der Fotografie hervorruft. Vielleicht sollte man sich auch die Frage stellen, ob der Wunsch, fotografisch durchzustarten, noch der richtige Weg ist, um sich kreativ auszudrücken.

Kreativität ist ein einzigartiger menschlicher Wesenszug. Jede bedeutende technische und kulturelle Errungenschaft ist das Produkt kreativer Köpfe. Die Fotografie ist dabei nicht der einzige Weg, kreativ zu sein. Schon vor ihrer Erfindung im 19. Jahrhundert haben Menschen auf andere Weise ihre Kreativität ausgelebt.

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