High-End-Ausrüstung – Low-End-Kontrolle: Ein Drama in RAW / Blog
Moderne Bildpoet:Innen haben oft Technik um den Hals, deren Gesamtwert nicht selten bereits einen Großteil des Jahresumsatzes von Kleinstunternehmer:Innen übertrifft. Ihre Kameras: topaktuell. Die Speicherkarten? Schnell wie ein Wimpernschlag. Und die Rechner? Leistungsfähiger als alles was in den 60er in den Raumfahrtprogrammen genutzt wurde.
Fotografien zu gehen ist heute für manche kein einfacher Termin mehr – es ist ein sorgfältig geplantes Erlebnis. Der Wetterbericht wird studiert wie vor einem Versorgungsflug zur ISS. Das Licht präzise analysiert, fast spirituell vermessen. Und die Wahl des Objektivs gleicht einer Weinprobe: „Heute ein cremiges Bokeh mit sanfter Leica-Note? Oder lieber ein Hauch Fuji, vintage und leicht säuerlich?“
Der Moment des Auslösens fühlt sich an, als flüstere die Kamera leise: „Dafür bin ich gemacht.“
Und dann – die Bilder. Einige davon schaffen es sogar, den digitalen Tiefschlaf auf der Festplatte zu verlassen und werden stolz zum Drucken gebracht. Und genau dann passiert es…
Sensorflecken.
Nicht nur einer. Nicht zwei. Manchmal sieht es aus, als hätte jemand Morsezeichen in die RAW-Dateien getippt – oder der Sensor hätte unfreiwillig bei einer Partie Moorhuhn mitgespielt.
Und man fragt sich: Wie kann das sein?
Wie kann jemand, der so viel in sein Equipment investiert hat, beim finalen Bild auf so offensichtliches übersehen?
Die Antwort ist oft schlicht: „Hab ich übersehen.“
Fast so, als wären Sensorflecken ein Prädikat für Authentizität: „100% out of camera – inklusive Schmutzbeweis.“
Und wenn dann vor dem Drucken dezent angemerkt wird, dass da wohl ein wenig Staub im Spiel war, kommt nicht selten ein müdes: „Ja, sieht man... aber nur, wenn man ganz genau hinschaut.“
Stimmt.
Man sieht es nur, wenn man genau hinschaut.
Was, nebenbei bemerkt, einer der Grundpfeiler der Fotografie ist.
Dabei wäre Abhilfe so einfach: Lightroom Classic bietet Reparaturpinsel, Photoshop inzwischen KI-gestützte Retusche-Werkzeuge, die fast schon Gedanken lesen. Und doch: Die Flecken bleiben. Als stumme Zeugen digitaler Bequemlichkeit. Es erinnert ein wenig an jemanden, der einen 600-PS-E-Sportwagen fährt – und regelmäßig beim Einparken den Bordstein küsst.
Deshalb, liebe Fotografinnen und Fotografen mit High-End-Ausrüstung: Lasst eure großartigen Bilder nicht an etwas so Banales scheitern. Ein Sensorfleck ist kein Stilmittel. Er ist schlicht: unnötig.
Denn – und das sei mit einem Augenzwinkern gesagt – selbst das beste Glas nützt nichts, wenn man durch den Dreck schaut.
„Hast du eine Meinung, persönliche Erfahrungen oder einfach einen spannenden Gedanken zum obigen Thema? Dann freue ich mich sehr über eine Nachricht von dir – ich bin gespannt auf deine Sichtweise!“
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