Eine Weltreise im Nahverkehr / Blog


Die Erde misst 40.075 Kilometer im Umfang, eine eine Distanz bei der Vielflieger nicht mal kurz den Kopf heben. Ich bin sie gefahren, naja sagen wir mitgefahren. Nicht im Flieger, versteht sich – kein Visum, kein Jetlag, kein verschlissenes Gepäckband und keine Postkarte mit Palme. Ich bin – wie soll man sagen, gar nicht wirklich weggefahren und doch ständig unterwegs gewesen.


Mein Weltumrundungs-Ticket? Das KlimaTicket. Mein Fahrzeug? Busse, Züge, und Straßenbahnen und manchmal zu Fuss oder mit dem Fahrrad. Es war keine große Reise. Kein „Ich bin dann mal weg.“, eher ein stilles „Ich bin noch da.“ Trotzdem war ich in Bewegung, habe herausgefunden, dass Mobilität nicht nur mit Geschwindigkeit zu tun hat. Auch nicht mit dem festen Griff ums Lenkrad, dessen Relikte aus der Ära der Pferdekutschen, heutzutage mit Motorheulen, Abgasen und seltenen Erden auf vier Rädern unterwegs sind.

Mobilität das ist für mich vielmehr der Entschluss, sich fahren zu lassen, von Fahrplänen, und Chauffeur:Innen - von Menschen die keine große Sache daraus machen anderen das Reisen zu ermöglichen. Man erlebt bei der Welt-Umrundung im Nahverkehr nichts Exotisches, keine Begegnungen mit echten Ausserirdischen oder Delphinen, die einem bedeutungsvoll zuwinken.

Aber ich hatte etwas anderes dabei gefunden - Zeit. Mehr-Zeit.

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Zwischen Haltestellen passieren manchmal Dinge, die man nicht vorhersehen kann - Gedanken, Erinnerungen oder Gesprächsfetzen Fremder, die im Kopf hängen bleiben. Ich konnte schreiben, lesen, beobachten, abspeichern und schlafen, denn ich wurde befördert und das ohne mich und andere dabei in Lebensgefahr zu bringen. Alles bequem und mit freiem Kopf. Vorbei sind die allermeisten der vielen Kilometer Individualverkehr, während deren man darauf achten muss zu keinem weiteren Punkt in der Statistik der Verkehrstoten zu werden.

Ich weiss nun, dass der schnellste Weg nicht immer der Beste ist - meist nur schnell und sonst gar nichts. Ich kenne jetzt viele Fahrpläne und weiss, dass obwohl die Landschaft im Oberdeck eines Zuges am schönsten vorbeizieht, mir dort auch leichter flau wird im Magen - eine alte Kindheitserinnerung ans Mitfahren - im Auto am Rücksitz und bei Serpentinen.

Drei Jahre für 40.075km ohne Staus, ohne Statussymbol mit PS oder eMotor und ohne Treuepunkte bei der Tankstelle, dafür mit ein wenig Gewinn für die Umwelt, Natur und Klima. Es ist keine Heldengeschichte und auch kein Stoff für Filme, aber dafür für mich mit einigen Erkenntnissen gespickt. Es gibt ein gutes Unterwegs sein ohne auf vier Rädern zu sitzen und ein Lenkrad zu umklammern.

Man kommt der eigenen Zeit näher, wenn man nicht auf der Überholspur dahin rast, es ist nur ein kleiner Anfang, keine Rettung der Welt - dafür bin ich zu unbedeutend, der Beitrag viel zu gering. Aber meine Art mich in der Welt zu zu bewegen hat sich verändert und ich habe auf den letzten 40.075km in Zug, Bus oder Bim etwas gefunden, dass man nicht downloaden und auch nicht streamen kann - Zeit und Gegenwart.



Kommentar zum Thema "Eine Weltreise im Nahverkehr"

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