Völlig verrauscht / Blog
Für viele Fotograf:innen ist digitales Bildrauschen der Inbegriff des Übels. Der bloße Gedanke an Rauschen lässt so manchen fast in Ohnmacht fallen, besonders wenn sie ihre Bilder in 100%-Ansicht unter die Lupe nehmen und dabei feststellen, wie nah sie dem Rauschen kommen. Für mich persönlich spielt digitales Rauschen mittlerweile jedoch keine Rolle mehr.
Früher war das anders. Bei der pixelgenauen Betrachtung meiner stark gezoomten Bilder hat mich das Rauschen tatsächlich auch oft aufgeregt. Manchmal landeten Aufnahmen aus heutiger Sicht viel zu schnell im digitalen Papierkorb. Heute jedoch muss Bildinhalt und -komposition wirklich misslungen sein, damit Rauschen für mich ein endgültiges K.o.-Kriterium darstellt.
Doch wie bei vielen Erkenntnissen, die man im Laufe der Jahre als Fotograf:in gewinnt, kam diese Einstellung nicht über Nacht. Mein entspanntes Verhältnis zum digitalen Rauschen hat sich erst allmählich entwickelt.
Der Wendepunkt kam vor etwa sechs Jahren, als ich eine Aufnahme aus den Traun-Donau-Auen betrachtete. Eine 60-Sekunden-Belichtung und ein bläulicher ND10-Filter führten zu einem stark verrauschten Bild.
Für „Pixel-Pornograf:innen“, die auf makellose Bilder stehen, ist das alles andere als ein Genuss. Doch trotz des hässlichen Rauschens und der toten Pixel – die typischerweise gegen die Idee einer perfekten Aufnahme sprechen – gefiel mir die Stimmung des Bildes sehr gut, auch wenn der Blaustich ungewöhnlich stark war. Statt das Bild sofort aufgrund der schlechten Qualität zu löschen, ließ ich es eine Weile im Archiv reifen – eine Entscheidung, die sich im Nachhinein als richtig herausstellte.
Heute, nach etwas Nachbearbeitung – ganz ohne moderne, KI-unterstützte Rauschreduzierung – ist aus dem verrauschten Original eine Fotografie geworden, die mir wirklich gefällt. Pixel-Pornograf:innen, die auf technisch perfekte Bilder abfahren, können mit diesem Print vermutlich wenig anfangen. Aber selbst Ansel Adams soll gesagt haben, dass ein Bild, bei dem „Schärfe“ das einzige Kriterium ist, etwas falsch läuft. Dasselbe könnte man über das Streben nach einem „rauschfreien“ Bild sagen.
Obwohl der Print nicht gerade knackscharf ist, hat er eine unglaubliche Stimmung. Auf dem Papier „Sugar Cane“ von Hahnemühle, das übrigens einen sehr analogen Charakter hat, merkt man kaum noch etwas von so manchen als schrecklich empfundenen Rauschen.
Wieder einmal zeigt sich der große Unterschied zwischen der 100%-Ansicht auf dem Bildschirm und dem FineArt Print auf Papier. Und dieser Unterschied geht eindeutig zugunsten des Prints aus.
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