Der letzte Rest vom Ratzenstadl / Blog
Alte Gebäude, die über Jahrzehnte, manchmal sogar über ein Jahrhundert hinweg nahezu unverändert geblieben sind, haben für mich etwas Magisches. Sie wirken wie Tore in eine andere Zeit. Der Gedanke daran, was sich an solchen Orten im Lauf der Geschichte alles zugetragen hat, fasziniert mich immer wieder aufs Neue.
Besonders berührt mich das beim sogenannten Ratzenstadl, einem Teil meiner eigenen Kindheit. Ich bin im 6. Wiener Gemeindebezirk aufgewachsen – in jenem Gebiet, das früher unter dem Namen Magdalenengrund bekannt war.
Älteren Wiener:innen, vor allem jenen aus Mariahilf, ist der Begriff Ratzenstadl bis heute ein Begriff. Woher genau der Name stammt, darüber gibt es unterschiedliche Theorien: Manche meinen, er gehe auf einen gewissen Ferdinand Ratz zurück, der einst eine Gedenksäule am Magdalenengrund errichtete. Andere glauben, dass die Bezeichnung auf eine frühere Rattenplage in der Gegend zurückzuführen sei. Die wahre Herkunft des Namens bleibt wohl für immer ein kleines Rätsel der Stadtgeschichte.
Umso spannender war für mich die Entdeckung, dass es heute nur noch ein einziges Gebäude gibt, das die vielen Veränderungen in diesem Teil Wiens überlebt hat – inklusive der umfangreichen Abbrucharbeiten um das Jahr 1950. Dieses Haus steht noch immer an seinem ursprünglichen Ort und bildet somit das letzte bauliche Zeugnis des ehemaligen Ratzenstadls. Natürlich wurde es im Laufe der Zeit verändert, doch im Kern ist es noch immer dasselbe Gebäude.
Früher war darin ein Wirtshaus mit dem ungewöhnlichen Namen "Zur Flucht nach Ägypten" untergebracht – ein Name, der neugierig macht und zugleich ein Stück Kuriosität der Wiener Geschichte einfängt. Zudem handelt es sich um das Geburtshaus von Fritz Illing, dem Gründer des Heimatmuseums Mariahilf, was dem Gebäude eine zusätzliche historische Bedeutung verleiht.
Heute findet man das Haus unter der Adresse 1060 Wien, Kaunitzgasse 7. Wer zuvor das Bezirksmuseum Mariahilf besucht und sich dann auf den kurzen Weg zur Kaunitzgasse macht, kann – sofern man dafür empfänglich ist – die Vergangenheit beinahe spüren: die vielen Jahrzehnte, vielleicht bald zwei Jahrhunderte, die an diesem unscheinbaren, aber geschichtsträchtigen Ort vorbeigezogen sind.
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