Es beginnt einfach - wie so vieles. Eine Kamera, ein Motiv, das Licht stimmt und plötzlich ordnet sich die Welt, wenn man sie durch den Sucher betrachtet.
Fotografieren war anfangs für die meisten nichts weiter als ein Spiel. Ein Versuch, das Flüchtige festzuhalten. Man drückte ab, ohne zu überlegen, was man später damit anfangen könnte. Es reichte, dass ein Bild entstanden war, dass man fotografierte, was man gesehen hatte.
Doch dann tritt sie auf die Ökonomie. Zuerst in Form wohlmeinender Stimmen: „Damit könntest du doch was machen!“ und ehe man sich versieht, hat sich das Verhältnis zur eigenen Leidenschaft verschoben.
Die Kamera, einst Werkzeug der Neugier, wird zum Instrument der Selbstvermarktung. Plötzlich zählt nicht mehr das Bild, sondern Reichweite, Resonanz, Relevanz. Man beginnt zu vergleichen, sich und seine Kreativität zu kalkulieren, abzuwägen. Was früher einfach schön war, muss sich nun lohnen.
Bringt das was? Lässt es sich verkaufen - sind dann die oft alles bestimmenden Fragen.
Der Amateur, der das liebte, was er tat, verschwindet, der Profi wird geboren. Manchmal per Kaiserschnitt, manchmal nur zur Hälfte, als Neben-berufsfotograf oder gar nur als Imitation. Mit dem Müssen zieht Anstrengung ein in das, was zuvor nur kreative Beschäftigung war. Wo Freiheit war, entsteht nun der Druck, unbedingt gefallen zu müssen und im professionellen Sinne Vorgaben zu erfüllen.
Man sucht Anerkennung, Bestätigung und verliert dabei genau das, was den Anfang so leicht gemacht hat. Den spielerischen Zugang, das Vergnügen am Zwecklosen und den Spaß an der eigenen Kreativität und das obwohl der bisherige Brotberuf dem eigenen Leben gereicht hatte. Gerade in Zeiten der Umorientierung mit einem starken Faible für Fotografie, muss der Weg zum Profi nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss sein.
Das Müssen in der Fotografie war schon immer harte Arbeit. In Zeiten der digitalen Fotografie, in der alle denken, sie seien Fotograf:innen, ist es nur noch um einiges schwerer geworden.
Fotografisch nur sich selbst zu suchen, sich in den eigenen Arbeiten zu finden, muss nicht im Widerspruch dazu stehen, „etwas damit zu machen“. Auch abseits der Berufsfotografie gibt es Möglichkeiten. Dazu muss man sich allerdings auf eine kleine Reise zu sich selbst machen, zugegeben das kann manchmal herausfordernder sein, als einfach zu beschließen: „Ich werde jetzt Profifotograf:in.“
Vor einiger Zeit wurde ich im Rahmen einer Hausmesse, wenige Minuten vor einem Vortrag über „Fotografie und Minimalismus“, aus dem Publikum gefragt, ob ich den „Profifotografen“ sei. Ich antwortete mit einer Gegenfrage: „Was zeichnet einen Profifotografen denn aus?“
Aus vielerlei Sicht gilt man als Profi, sobald man für das, was man tut, bezahlt wird. Nach dieser Logik bin ich also Profi, aber noch lange kein Profifotograf. Ein entscheidender Unterschied zu Haupt-, Nebenberufs- oder Halbfotografen besteht bei mir darin, dass ich in niemandes Auftrag fotografiere, sondern ausschließlich für mich selbst.
Zwar verspürte ich anfangs auch den Drang, ein „richtiger“ Fotograf zu sein, Aufträge anzunehmen und im Auftrag zu arbeiten. Ich tat es sogar, doch diese Einstellung verflüchtigte sich wieder. Stattdessen gewann der intensive Blick auf das, was mich wirklich interessiert. Warum ich die Kamera als Werkzeug nutze und was ich damit sehen und zeigen möchte.
Dieser Ansatz ist in über 18 Jahren zu einer vielschichtige Beschäftigung gewachsen, vom Weitergeben von Wissen und Erfahrung über den Verkauf meiner Fotografien auf Papier bis hin zum Mitbetrieb einer kleinen Fotogalerie.
Finanziell betrachtet, dass soll nicht unerwähnt bleiben, war es aber ein stetiger Abstieg. Beginnend mit einer wirklich gut bezahlten ersten Berufswahl in der IT als Programmierer, dann über Verkauf und Technik in der Apple-Branche bis hin zur seit 2007 andauernden Selbständigkeit im Dunstkreis der Fotografie. Alles was ich tue ist zeitaufwendig, vieles davon anstrengend und der wirklich kreative Anteil macht nur einen Teil dessen aus, womit ich meine Zeit verbringe. Doch im Gegensatz zur Berufsfotografie bereitet es mir unendlich mehr Freude, es erfüllt mich und hat mir als Person gutgetan.
Weder der eine noch der andere Weg ist für jeden gültig. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, zu erkennen, wo man steht, was man wirklich möchte, und dies von dem zu unterscheiden, wie man sich nur wünscht zu sein und um dann daraus die Konsequenzen zu ziehen.
Meine Entscheidung fiel vor weit mehr als einem Jahrzehnt. Ich hörte dann mit der Berufsfotografie auf, als es für alle die Fotograf:Innen sein wollten geöffnet wurde und begann dem nachzugehen, was ich möchte, was ich kann und was mir Freude bereitet. Ob ich nun ein Profi bin oder nicht, ist für mich irrelevant und liegt wie so vieles andere ohnehin im Auge der Betrachter:innen.
Den eigenen kreativen Weg zu finden, ist nie leicht. Aber es ist immer der richtige Zeitpunkt, damit zu beginnen.
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Kommentar zum Thema „Gedanken über das Können und das Müssen