Graureiher am Wienfluss (2003 bis 2010 und 2023)
Wienfluss.Erinnerungen

Tierfotografie hat mich nie wirklich interessiert. Fotografische Wanderungen sind für mich wesentlich interessanter als der Ansitz auf Tiere. Meine bis dato absichtlichen, fotografischen Begegnungen mit Tieren kann ich an einer Hand abzählen. Somit sind mir die allermeisten Tiere in den letzten knapp 25 Jahren Fotografie eigentlich immer zufällig vor die Objektive meiner Kameras gesprungen. Auch die Begegnungen mit den Graureihern am Wienfluss waren immer ungeplant und unbeabsichtigt.


Hochwasserbecken

Der Hauptteil des Hochwasserschutzes im Westen von Wien obliegt insgesamt sieben Rückhaltebecken. Die Mehrzahl dieser Becken liegt dort am Wienfluss, wo ich meine Kinder- und Jugendtage in den damaligen Sommern verbracht hatte. Alle diese Becken wurden vor langer Zeit im Rahmen der Wienfluss-Regulierung zwischen 1894 und 1904 errichtet.

Beim Blick in die Hochwasserbecken sehe ich meine Streifzüge darin aus Kindertagen vor mir. Damals wie heute hat sich eine wilde, auartige Landschaft in den Hochwasserbecken entwickelt. Durch kleinere und größere Hochwasser wird dieser Dschungel immer wieder dynamisch umgestaltet. Als Kind waren diese Becken für mich pure Wildnis.



Rückhaltebecken im Umbau 1999 (Aufnahme Dr. Heinrich Tauscher), © Herbert Koeppel - Kat. No. D20230909.1

Rückhaltebecken im Umbau 1999 (Aufnahme Dr. Heinrich Tauscher), © Herbert Koeppel - Kat. No. D20230909.1



Doch auch der beste Hochwasserschutz muss irgendwann an die, sich veränderten Umweltbedingungen angepasst werden. Gegen Ende der 90er Jahre begann die Stadt Wien mit der Modernisierung der damals mittlerweile über hundert Jahre in Betrieb befindlichen Anlagen. Dabei blieb an manchen Stellen in den Rückhaltebecken kein Stein auf dem anderen.

Die Natur wird wohl damals für eine zeitlang aus dieser Aulandschaft ausgezogen sein. Doch sie ist wieder zurückgekehrt.
Wie in meiner Kindheit „kreucht und fleucht“ es in den nach der Modernisierung vergangenen Jahrzehnten dort wieder. Insekten, Fische, Amphibien, Reptilien, Säugetiere und auch Vögel haben sich neben dem täglichen Wahnsinn des Autoverkehrs entlang der Westausfahrt, ein für sie ruhiges Plätzchen gefunden.



Entlang der Mauerkrone und Stege

Graureiher hat es wahrscheinlich schon immer an der Wien gegeben. Als Kind hatte ich diesen scheuen Tieren allerdings nie sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet.

In den 2000er Jahren wohnte ich eine zeitlang, nur eine kurze Fahrtstrecke entfernt im Wienerwald. Hin und wieder führten mich meine fotografischen Wanderungen auch an den Wienfluss. Kreuz und quer ging es dabei durch die mittlerweile sehr veränderte Landschaft meiner Kindheit. Dabei nutzte ich auch den Weg zwischen den Staubecken und dem Umlaufgraben. Vor zwanzig Jahren konnte man dort noch unbehelligt und unbeobachtet, wie in meiner Kindheit entlang der Mauerkrone unterwegs sein. Heute werden weite Teile dieser Anlagen mittels Kameras von der Wienfluss-Verwaltung höchstwahrscheinlich ständig im Auge behalten.

Der Hauptanteil des Wienflusses fließt ja genau genommen zwischen Mariabrunn und dem Nikolai-Steg durch sechs der Hochwasserbecken. Der Umlaufgraben war und ist eigentlich immer eine Mischkulanz aus dem Wasser des Mauerbaches und des Wienflusses gewesen. Als Kinder bezeichneten wir das knapp 1,5m breite Rinnsal aber trotzdem immer als Wienfluss.



Weg auf der Mauerkrone  /  #1 - 2005 © Herbert Koeppel - Kat. No.D20230908.1

Weg auf der Mauerkrone / #1 - 2005 © Herbert Koeppel - Kat. No.D20230908.1

Weg auf der Mauerkrone / #2 - 2005 © Herbert Koeppel - Kat. No.D20230908.2

Weg auf der Mauerkrone / #2 - 2005 © Herbert Koeppel - Kat. No.D20230908.2



Die Hochwasserbecken zwischen dem Nikolai-Steg und Mariabrunn waren damals wie heute durch Überlaufwände aus Beton getrennt. Bei Hochwasser konnten die Wassermassen dann zunächst durch Öffnungen in diesen Wänden ins nächste Becken überfliessen, bei wirklich starkem Hochwasser dann über die Trennwände selbst. Wie man auf historischen Fotografien erkennen kann, wurden über diesen Trennwänden bereits damals auf eisernen Gerüsten Holzstege errichtet. Damit konnte man trockenen Fußes die Staubecken auch bei Hochwasser queren.



Steg zwischen den Rückhaltebecken  /  #1<br>
2003 © Herbert Koeppel - Kat. No.D20230910.3

Steg zwischen den Rückhaltebecken / #1 - 2003 © Herbert Koeppel - Kat. No.D20230910.3

Steg zwischen den Rückhaltebecken / #2<br>
2005 © Herbert Koeppel - Kat. No. D1340

Steg zwischen den Rückhaltebecken / #2 - 2005 © Herbert Koeppel - Kat. No. D1340



Steg zwischen den Rückhaltebecken / #3 - 2005 © Herbert Koeppel - Kat. No.D20230910.1

Steg zwischen den Rückhaltebecken / #3 - 2005 © Herbert Koeppel - Kat. No.D20230910.1



Hund und Graureiher

Es ist fast selbstverständlich, dass wir als Kinder diese Trennwände, die eisernen Gerüste und die hölzernen Stege bei unseren Abenteuern auch nutzten. Nicht nur meiner Hündin Dakota, die mich immer bei meinen fotografischen Erkundungen begleitete, sondern auch den Graureiher dienten diese Abgrenzungen als Aussichtsplätze.



Graureiher Truppe - 
2003 © Herbert Koeppel - Kat. No. D20230910.6

Graureiher Truppe - 2003 © Herbert Koeppel - Kat. No. D20230910.6

Dakota - 2005 © Herbert Koeppel - Kat. No. D20230910.4

Dakota - 2005 © Herbert Koeppel - Kat. No. D20230910.4



Zufallsbegegnungen im Laufe der Jahre

Bei meinen Wanderungen am Wienfluss bin ich immer wieder ungeplant mit Graureihern in Berührung gekommen. Dabei muss ich wohl auch hin und wieder den selben Individuen begegnet sein, denn diese Tiere werden selbst in freier Wildbahn erstaunlich alt. Bis zu 35 Jahre können diese Vögel, die mich mit ihren Lauten an deren Vorfahren, die Dinosaurier erinnern alt werden. Nicht das ich eigene Erinnerungen an die Zeit der Dinosaurier hätte, aber die Laute, die im Film Jurassic Park für die Dinos verwendet wurden, rufen immer das Bild eines Graureihers in meinem Kopf wach.



Dakota - 2005 © Herbert Koeppel - Kat. No. D20230910.4

Graureiher im Baum - 2003 © Herbert Koeppel - Kat. No. D20230910.7

Zwei Graureiher auf einem der Stege / #1- 2003 © Herbert Koeppel - Kat. No. D704

Zwei Graureiher auf einem der Stege / #1- 2003 © Herbert Koeppel - Kat. No. D704



Zwei Graureiher auf einem der Stege / #2  - 
2003 © Herbert Koeppel - Kat. No. D702

Zwei Graureiher auf einem der Stege / #2 - 2003 © Herbert Koeppel - Kat. No. D702

Zwei Graureiher auf einem der Stege / #3  - 2003 © Herbert Koeppel - Kat. No. D705

Zwei Graureiher auf einem der Stege / #3 - 2003 © Herbert Koeppel - Kat. No. D705



Graureiher balancierend auf einem Geländer der Stege - 
<br>2003 © Herbert Koeppel - Kat. No. D703

Graureiher balancierend auf einem Geländer der Stege - 2003 © Herbert Koeppel - Kat. No. D703

Graureiher auf den Holzbrettern von einem der Stege - <br>2003 © Herbert Koeppel - Kat. No. D707

Graureiher auf den Holzbrettern von einem der Stege - 2003 © Herbert Koeppel - Kat. No. D707



Meist war meine Hündin Dakota mit am Wienfluss. Die Graureiher, denen ich im Laufe der Jahre dort begegnet bin, störten sich allerdings nie an meiner tierischen Begleitung. Da ich bis heute keine Ausrüstung besitze, die eines Tierfotografen würdig wäre, musste ich meistens versuchen sehr nah an diese gefiederten Tiere heranzukommen. Interessanterweise zeigte meine Hündin nie Interesse an diesen Vögeln und die wiederum haben sich nie von der Anwesenheit eines entfernten Verwandten der Wölfe verscheuchen lassen.


Obwohl ich damals ziemlich nahe am Wienfluss wohnte, war ich aus heutiger Sicht leider viel zu wenig dort. Doch ab und zu führte mich meine fotografische Leidenschaft wieder an den Wienfluss zurück. Eines kühlen Morgens begegneten mir dabei wieder einige Graureiher.

Nicht nur mir war kalt, sondern auch diesen Tieren. Sie saßen auf den eisernen Geländern der Stege und wärmten sich an den ersten morgendlichen Sonnenstrahlen auf. Wie schon ein paar Jahre zuvor, ließen sie sich wieder aus nächster Nähe, mit kurzem Tele und Hund im Schlepptau fotografieren. Erst als ich ihnen dabei dann doch viel zu nahe gekommen war, machten sie sich schlussendlich auf und davon.



Graureiher balancierend auf einem Geländer der Stege #2 - 
2005 © Herbert Koeppel - Kat. No. D701

Graureiher balancierend auf einem Geländer der Stege #2 - 2005 © Herbert Koeppel - Kat. No. D701

Abfliegender Graureiher - 2005 © Herbert Koeppel - Kat. No. D706

Abfliegender Graureiher - 2005 © Herbert Koeppel - Kat. No. D706



In der Zeit danach kam es dann immer wieder zu ungeplanten weiteren Begegnungen mit einzelnen Graureihern.



Graureiher gesehen - 
2006 © Herbert Koeppel - Kat. No. D20230910.8

Graureiher gesehen - 2006 © Herbert Koeppel - Kat. No. D20230910.8

Graureiher auf und davon - 2006 © Herbert Koeppel - Kat. No. D20230910.9

Graureiher auf und davon - 2006 © Herbert Koeppel - Kat. No. D20230910.9



Über eines dieser Tiere stolperte ich wieder vollkommen unvorbereitet. Ich blickte über ein Geländer am Rande eines der Staubecken und sah gute 5m unterhalb von mir einen Grauen im Wasser stehen. Sehr kurz hatte er dann noch stillgehalten. Dabei konnte ich ihn von hinten fotografieren. Anschliessend ist er auf und davon geflogen. Völlig überrascht konnte ich das Abheben des Vogels nur mehr auf moderne Art und Weise unscharf festhalten.




Toter Graureiher - 2010 © Herbert Koeppel - Kat. No. D1093

Toter Graureiher - 2010 © Herbert Koeppel - Kat. No. D1093

Trotz möglicher langer Lebenserwartung endet auch irgendwann die Lebenszeit eines Graureihers. An einem kalten Wintertag vor gut dreizehn Jahren fanden Helga und ich einen toten Graureiher am Wienfluss.

Ob ich diesem Tier früher schon mal begegnet war?

Diese Fotografie trägt den Titel „Gefallener Engel“ in meiner Bilddatenbank.



Immer noch da

Mehr als zwei Jahrzehnte nach meinen ersten Begegnungen mit diesen Tieren, sind sie immer noch am Wienfluss. Mittlerweile nutzen wieder viele Wienerinnen und Wiener an warmen Sommertagen den Fluss in deren Freizeit. Dieses rege Treiben stört die heute dort lebenden Graureiher jedoch nicht sehr.

Regelmässig kann man eines dieser Tiere im Bereich des „Hackinger-Steges“ unweit der U4-Endstation „Hütteldorf“ beobachten. Weder die vorbei rasenden Radler, noch die zahlreichen Spaziergängerinnen bringen diesen Vogel aus der Ruhe.

Respektiert man die Fluchtdistanz dieses Tieres, so hat man die Gelegenheit diesen Vogel aus nächster Nähe beobachten zu können. Der Wienfluss ist an vielen Stellen zum idealen Lebensraum für Graureiher geworden. Zahlreiche seichte Stellen im Fluss mit reichlich Fischen in passender Fressgrösse finden die Graureiher in den renaturierten Abschnitten des Wienflusses vor.




 Graureiher 2023 © Herbert Koeppel - Kat. No. D20230910.9

Graureiher 2023 © Herbert Koeppel - Kat. No. D20230910.9

Der Beginn der Wienfluss Regulierung liegt mehr als hundert Jahre in der Vergangenheit. Während dieser Zeit hatten sich die am damaligen Wienfluss lebenden Tiere mit Sicherheit ruhigere Gefilde gesucht.

Auch bei extremen Hochwasser ist der Wienfluss seit dem Abschluss der Regulierungsarbeiten in seinem Bett aus Stein und Beton geblieben. Viele der damals errichteten Bauwerke und Mauern sind heute noch vorhanden und sichtbar. So auch der Stiegenabgang entlang der damals errichteten Mauer im Hintergrund dieser Fotografie.

Wer weiß, wer weiß! Es könnte gut sein, dass dieser spezielle Graureiher am langen Weg durch die Geschichte und Zeit, mit denjenigen verwandt ist, die sich nach den fast zwanzig Jahre andauernden Regulierungsarbeiten, vor über hundert Jahren am Wienfluss wieder angesiedelt haben.

Auch wenn er nicht in Verwandtschaft mit den damaligen Graureihern steht, so wäre es dennoch ein schöner Gedanke.



Fauna, Flora und Menschen teilen sich nun in den renaturierten Abschnitten des Wienflusses wieder den selben Raum. Gerade an heißen Sommertagen wie im heurigen Jahr, suchen viele Abkühlung und Erholung im Bereich des „Hackinger-Steges“.

Zeitweise herrscht hier reges Treiben, fast wie früher als im Bereich der Bräuhaus-Brücke keine sechshundert Meter flussaufwärts gebadet wurde. Heute hat der Wienfluss eine von der Jahreszeit abhängigen "Sperrstunde"! Ob sich die Wiener und Wienerinnen allerdings auch daran halten? Es wären jedenfalls keine Wiener, wenn sie es täten!

Der Graureiher der dort nun seine Runden zieht, lässt sich jedenfalls nicht im geringsten von den Menschen in seiner unmittelbaren Nähe bei seiner täglichen Futtersuche stören.










2023 © Herbert Koeppel - Kat. No. D20230910.10

2023 © Herbert Koeppel - Kat. No. D20230910.10



Er weiss ganz genau, dass die meisten, die hier vorbeilaufen oder noch schneller mit ihren Fahrrädern unterwegs sind, ihn gar nicht erst bemerken. Den Blick gesenkt oder nach vorne gerichtet mit Stöpseln im Ohr, nehmen viele die dort unterwegs sind, wenn überhaupt die Natur am Wienfluss nur am Rande wahr.

Letztens konnte ich allerdings eine Spaziergängerin beobachten, die den Vogel bemerkte. Sie machte mit ihrem Smartphone einige Schnappschüsse, wohl um daheim davon zu erzählen, dass sie einen großen, schönen grauen Vogel am Wienfluss gesehen hatte.

Ignoriert oder gar nicht bemerkt zu werden, wird dem Reiher höchstwahrscheinlich ganz recht sein. Denn so kann er dem Nachgehen, was Graureiher so tun im seichten Wasser.

Am Weg über den verglasten „Hackinger-Steg“ Richtung Bahnhof Hütteldorf und zu meinem Zug nach Oberösterreich, konnte ich dann noch ein Gespräch eines Vaters mit seinem kleinen Sohn belauschen.

Vater: Schau mal, was da unten für ein großer Vogel im Wasser steht…
Sohn: Papa, der große Vogel ist ein Graureiher. Papa, ich glaube der jagt die Enten…
Vater: Du weisst aber schon, was Graureiher eigentlich fressen - Fische…

Im Weggehen meinte der Sohn dann noch etwas trotzig, „Nein, der tut die Enten fressen…“

Immerhin der kleine Bub wusste schon, dass der große Vogel ein Graureiher war. Hinsichtlich dessen Fressgewohnheiten, hoffe ich auf einen motivierten Lehrer oder Lehrerin, die ihm dann im Biologie-Unterricht erklären, dass Graureiher keine Enten fressen, sondern Fische.



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