84cent pro Tag - Jammern unser Volkssport / Blog


Um es gleich vorweg klarzustellen: Die folgenden Zeilen handeln nicht von Fotografie, sondern vom KlimaTicket Österreich und von seiner kürzlich eingeführten Preiserhöhung.

Zunächst ein paar Gedanken zu meiner eigenen Mobilität.

Seit Mitte 2022 nutze ich das KlimaTicket, also nunmehr gut drei Jahre. In dieser Zeit bin ich knapp 45.000 Kilometer nicht mit dem Pkw, sondern mit Bahn, Bus, Straßenbahn und U-Bahn unterwegs gewesen. Anfangs kostete das Ticket 1.095 Euro pro Jahr – etwa drei Euro pro Tag. Seit August 2025 liegt der Preis bei 1.300 Euro, ab Januar 2026 wird er 1.400 Euro betragen, also 3,84 Euro pro Tag.

Neben dem KlimaTicket nutze ich gelegentlich TIM, das Linzer Car-Sharing-Angebot, sowie den Pkw von Helga. Zusammengerechnet entfallen in diesem Jahr z.B. etwa 84 Prozent meiner Wege auf öffentliche Verkehrsmittel, die restlichen 16 Prozent auf Car-Sharing oder Helgas Auto.

Entscheidend ist, dass sich mein Mobilitätsverhalten seit der Einführung des KlimaTickets deutlich verändert hat.

Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?
Nun, ich habe eigentlich keine fixen Arbeitszeiten. Ein Großteil meiner Arbeit findet im Atelier statt, ein anderer Teil bei Workshops, Einzelterminen oder online. Dazu kommen Projekte in der Tummelplatz Galerie in Linz. Ich wohne und arbeite knapp 21 Kilometer von der Landeshauptstadt Linz entfernt und 2022 stellte ich fest, dass die Anbindung des ländlichen Raums in meinem Fall an den öffentlichen Verkehr überraschend gut ist.

Der wohl wichtigste Faktor aber ist, dass ich in einem sehr auf das Auto zentrierten Land lebe, der Pkw für mich aber nie mehr als ein praktisches Fortbewegungsmittel war. Er war nie ein Statussymbol, niemals ein Ausdruck von Freiheit. Das hat es mir leicht gemacht, mich ohne große Überlegung vom eigenen Auto zu trennen.

Ausserdem habe ich den letzten Jahren gelernt, die längeren Fahrzeiten mit Bahn, Bus und Straßenbahn nicht als Verlust, sondern als Gewinn zu sehen. Sie schenken mir Lebenszeit, die ich selbst füllen kann: zum Lesen, zum Nachdenken, zum Arbeiten oder einfach um aus dem Fenster zu schauen.

Vielleicht stehe ich damit allein in der Menge. Doch genau das waren einige Zutaten, um mein Mobilitätsverhalten nachhaltig in Richtung öffentlicher Verkehr zu verschieben.

Natürlich kostet das KlimaTicket Geld – Geld, das ich mir durch Workshops, den Verkauf von Prints und die Galeriearbeit verdienen muss. 1.300 Euro im Jahr sind kein kleiner Betrag. Ein eigener Pkw neben dem Ticket wäre schlicht nicht leistbar. Allein die laufenden Kosten eines Autos bei meinem derzeitigen Mobilitätsaufwand würden die Möglichkeiten eines Einkommens bei weitem sprengen. Die Differenz ist deutlich: 2.000 Euro an leistbaren Kosten, stehen 5.000 Euro gegenüber, die für mich für Mobiltiät nicht machbar sind.

Für mich macht das KlimaTicket nur Sinn, weil ich keinen eigenen Pkw mehr besitze. Beides zusammen wäre finanziell unmöglich.

Und dennoch: Das KlimaTicket ist weit mehr als eine Fahrkarte für mich. Es ist ein Schlüssel zu einer anderen Art, unterwegs zu sein und zu einer anderen Art, Zeit zu erleben. Jede Fahrt schenkt mir Zeit, die ich füllen kann – mit Lesen, Nachdenken, Arbeiten oder einfach aus dem Fenster schauen. Die Wege zu den Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel und so mancher Fußweg zurück verschaffen mir zusätzlich Bewegung. In der warmen Jahreszeit mit dem Rad zum Bahnhof zu fahren empfinde ich mittlerweile als eine größere Freiheit, als ich sie je beim Fahren mit dem Pkw verspürt habe.

Ein eigenes Auto wäre in meinem Leben nur ein teures Instrument, für das ich Resourcen aufbringen müsste, die dieses dann sofort verschlingt und auch noch Verpflichtungen mit sich bringt, ohne mir Freiheit zu schenken. In einem Land, in dem Autos wie kleine Götter verehrt werden, mag meine Einstellung eigenartig erscheinen. Doch gerade diese bewusste Entscheidung ermöglicht mir Mobilität, die ich sonst nicht hätte, und eine Freiheit, die sich nicht an Geschwindigkeit oder Status misst.

Auf den einzelnen Tag gerechnet kostet das KlimaTicket ab 1. Januar 2026 nun 84 Cent mehr als beim ursprünglichen Normalpreis. Es liegt bei jedem selbst, herauszufinden, wo im Jahr vielleicht 306 Euro eingespart werden können, um weiterhin praktisch, ökologisch sinnvoll und mit mehr Zeit für sich unterwegs zu sein. Manchmal wird das nicht möglich sein, manchmal schon. In jedem Fall gilt es ohne viel Emotionen über die eine oder andere Nutzung nachzudenken. Mobilität ist, bei aller persönlicher Zuneigung zur Errungenschaft des KlimaTickets in Österreich, trotzdem immer eine sehr persönliche Angelegenheit und untrennbar mit den ganz persönlichen Möglichkeiten verbunden.

Ja, das Ticket ist teurer geworden, aber sein Wert bleibt für mich unbestritten. Denn dadurch kann ich mir meine derzeitige Mobilität leisten




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