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Ein Bild in Farbe. Nichts Besonderes – fotografiert heutzutage eigentlich fast jeder. Als ich vor mehr als 15 Jahren dort am Wienfluss stand, hatte ich noch keinen blassen Schimmer von meiner inzwischen über ein Jahrzehnt andauernden Faszination für Schwarzweiß-Fotografie.
Heute fotografiere ich bewusst mit dem Gedanken an ein späteres schwarz-weisses Print-Ergebnis. Früher war alles Farbe – eine Phase, die ich heute augenzwinkernd als die „dunkle Phase“ meiner fotografischen Entwicklung bezeichne.
Als ich dann beschloss, mich auf Schwarzweiß zu konzentrieren, holte ich auch ältere Aufnahmen, die vor 2013/2014 entstanden waren, in meine neue Schwarzweiß-Welt. Heute sehe ich das anders: Alles, was damals auf Farbe gesetzt war, darf farbig sein – genau so, wie ich es zum Zeitpunkt der Entstehung für richtig befunden hatte.
Es ist spannend zu sehen, wie sich der Blick auf die eigenen Bilder im Laufe der Jahre verändert oder eben wieder an den Ausgangspunkt zurückkehrt – so wie hier auch.
In meine Wienfluss-Erinnerungen reiht es sich dieses Bild jedenfalls nahtlos ein – da macht Farbe oder Schwarzweiß gar keinen Unterschied.
Denn auch diese Szene, dieses Motiv, ist schon ein Teil der vielleicht nur von mir so gesehenen Wienfluss-Geschichte.
In den Jahren nach 1999 hat mich immer die dort entlang des Gewässers langsam, aber sicher zurückkehrende Natur fasziniert. Klar – es war im Grunde Natur aus zweiter Hand, denn das einst steinige, von Menschen geschaffene Flussbett wurde künstlich aufgerissen und anschließend naturnah – immer mit Blick auf den Hochwasserschutz – rückgebaut.
Am Ende dann quasi wieder sich selbst überlassen und der Dynamik eines normalerweise ohne großes Aufsehen dahinrinnenden Flusses ausgeliefert. Fast, als wäre es immer schon so gewesen.
Die Frage, wie es dort gewesen war, bevor die großen Umbauten und Regulierungen Ende des 19. Jahrhunderts begonnen hatten oder vor dem Bau und der Eröffnung der Kaiserin-Elisabeth-Bahn kurz nach der Mitte des 19. Jahrhunderts, beschäftigt mich immer wieder.
Wie floss hier der Bach bzw. der Fluss, der sich eigentlich aus dem vom Westen kommenden Wienfluss und dem kurz unterhalb der Kirche von Mariabrunn einmündenden Mauerbach speiste?
Letztendlich wird es wohl kein fotografisches Dokument von diesem Ort aus den Anfangsjahren der Fotografie geben. Es wäre wohl ein Zufall – beziehungsweise eine große Freude für mich –, wenn es gerade vom unregulierten, wilden Wienfluss doch tatsächlich fotografisches Material von dieser Stelle aus der Zeit vor 1850 geben würde.
Auf den ersten schnellen Blick zeigt dieses Bild vermeintliche „Wildnis“. Doch wie auch auf nicht wenigen historischen Aufnahmen, die zur Zeit der Wienfluss-Regulierungen entstanden sind, findet man auch hier einen Hinweis darauf, dass es sich um Natur aus zweiter Hand handelt und man ungefähr erkennen kann, wo man sich befindet.
Denn man erkennt den Turm der Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariabrunn samt einem Teil der Mauerkrone im hinteren Teil der Aufnahme.
Das Hochwasser vom September 2024 hat hier alles verändert und an manchen Stellen einfach alles „entwurzelt“ und in den Donaukanal gespült. Die Natur aus zweiter Hand, die in den letzten Jahrzehnten vielen kleineren Hochwassern standgehalten hatte, gab nun nach – sie bremste zwar die Wassermassen ab, musste sich letztendlich aber fortreißen lassen.
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Kommentar zum Thema „Wenn Orte verschwinden: Fotografie ist Erinnerung #2"