Kann man eine Lieblingsausstellung haben, wenn man Mitbetreiber einer Galerie ist? / Blog
Wahrscheinlich sollte man das nicht. Und doch erwische ich mich bei dieser Ausstellung dabei. Vielleicht liegt es daran, wie sie entstanden ist. Zunächst nicht geplant, sondern gewachsen – aus alten Negativmappen Und am Ende dieser Reise hängen nun Bilder an der Wand, die viel erzählen, von einer Stadt, die es so nicht mehr existiert. Meine Lieblingsausstellung hin oder her - ist es jedenfalls
Aber wie kam es eigentlich dazu?
Zurück an den Anfang, dorthin, wo Geschichten noch lose Enden sind – in unserem Fall: Negative in Mappen.
Walter und Willi kennen sich schon lange. Irgendwann drückte Walter ihm ein etwas in die Jahre gekommenes Buch über österreichische Fotografie nach 1945 in die Hand. Darin ein Bild von ihm. Willi wurde neugierig: Walter fotografiert?
Kurz darauf folgten Negative – schwarzweiß, in Mappen. Ich sah hinein, wusste nicht, was auf uns zukam – nur, dass es Arbeit wird. Viel Arbeit.
3000 Negative und alle wollen in den Computer. Der Scanner - Deckel auf, Deckel zu - scannen. Später löste ihn die Kamera ab. Etwas schneller, etwas effizienter, aber immer noch sehr meditativ.
Dann kam die Auswahl. Wir sichteten mit Kaffee und gelegentlichen Sekundenschläfchen. Am Ende blieben jene Bilder übrig, die jetzt an unseren Wänden hängen – Walters Blick auf ein altes Wien.
Walter Bernhardt - Nach fünf Jahrzehnten wieder vor seinen Fotografien in der Tummelplatz Galerie
Und doch: Gescannt ist nicht gleich ausgestellt. Es folgte Retusche, Pixel für Pixel. Kratzer weg, Härchen weg, nichts zerstören, versuchen nichts zu übersehen – ein bisschen wie ein fremdes Gedicht redigieren. Immer daran denkend „Hoffentlich sagt Walter am Ende: Ja, das gefällt mir.“
Dann der Drucktag. Völlig von der Rolle – auf Einzelblätter. Jeder Druck irgendwie eine Wiederholung. Deckel am Drucker aufklappen, einlegen, ausrichten, Deckel zu und Papiersorte bestätigen - Drucken - 100mal wiederholen. Ich lief durchs Atelier, der Drucker arbeite - eine mehr als zwölf Stunden lange Wiederholung aber am Ende haben fünfzig Jahre alte Aufnahmen ihren Weg auf frisches Papier gefunden.
Am Tag darauf hier in der Galerie - schneiden. Vierhundert Schnitte, zwei Hände, null Unfälle und kein rot, monochrom gefärbtes Schwarzweiss-Bild.
Und dann – das Hängen, pardon das Kleben. Willi und ich, ein heißer Tag, die Stunden zogen sich wie alter Kaugummi. Musik half. Auch das Lachen. Manches Bild weigerte sich, andere fanden ganz von selbst ihren Platz. Am Ende – es war längst dunkel draussen– ergab alles Sinn.
Fehlte nur noch die Beschriftung. „Handschriftlich mit Bleistift“, dachten wir - aber mit unserer Handschrift?
Da Helga kam gerade… „Na, ihr wollt heute wohl gar nicht mehr aufhören?“ Willi und ich sahen uns an, nickten und drückten Helga einen Bleistift in die Hand. Einen Moment sah sie aus als hätten wir ihr Akkuschrauber samt Bauanleitung überreicht - aber dann schrieb sie.
Leise, vorsichtig - direkt an die Wand - wie Walters Mauergedichte.
Die Ausstellung ist noch bis inkl. 31.7.2025 in der Tummelplatz Galerie zu sehen und wer tiefer in die fotografische Arbeit von Walter Bernhardt eintauchen möchte, der hat am 18.7.2025 ab 14 Uhr beim Künstlergespräch mit ihm Gelegenheit.
Link:
- Tummelplatz Galerie
Kommentar zum Thema "Kann man eine Lieblingsausstellung haben, wenn man Mitbetreiber einer Galerie ist?"
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