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Fotografie ist eigentlich kein Sport

Kat. No.: D506




Dieser Text wurde bereits im Newsletter #45 veröffentlicht!

Vor einiger Zeit ist Olympia in Paris vorbei gegangen - es gab Gold, Silber und Bronze und auch Sportler:Innen, die ohne eines dieser Stücke wieder heimgefahren sind. Im Sport kann objektiv Verglichen und Gemessen werden - wie weit, wie hoch, wie schnell - all das lässt sich mit der Zeit- und Längenmessung im Sport objektiv festhalten.

Es wird ja immer wieder behauptet, dass die Teilnahme an einem Fotowettbewerb gut für die eigene fotografische Entwicklung sei. Macht die Teilnahme im Hinblick auf die eigene fotografische Entwicklung Sinn?

Fotografische Entwicklung
Mit Blick auf meine eigene Fotografie kann ich aus der Erfahrung heraus sagen, dass keine meiner bisherigen Teilnahmen an Wettbewerben meine fotografische Entwicklung voran gebracht hätte.

Fotografische Entwicklung hat, so denke ich viel mehr mit der Entwicklung der eigenen Person zu tun, als mit dem Ergebnis eines Fotowettbewerbs. Sicherlich im Falle eines Gewinns hat jeder seine „Sekunde des Ruhmes“ - aber das als Nachhaltig für die eine Entwicklung zu sehen, halte ich für übertrieben.

Bei der eigenen Entwicklung geht es um Inspiration und dem Grund warum man überhaupt zur Kamera greift - eben um die eigene intrinsische Motivation. Inspiration über den Erfolg bei einem Wettbewerb zu suchen funktioniert meiner Erfahrung nicht. Die Motivation bessere und schönere Bilder als andere zu machen schon gar nicht.

Frust und Lust am Wettbewerb
Fotowettbewerbe sind irgendwie wie Lotterien und ebenso wie die meisten Spieler:Innen bei Lotterien, holen sich die allermeisten Teilnehmer:Innen dabei immer auch eine gute Portion Frust ab. Denn wie bei einer Lotterie wird in den meisten Fällen nichts aus einer Prämierung. Die Erwartungen sind meist hoch, die Enttäuschung folgt auf den Fuss.

Entscheidungen von Jurys als Maßstab, dafür zu sehen wo man mit seiner eigenen Fotografie gerade steht, bedeutet dass man sich und seine Kreativität von einer Gruppe von Menschen bewerten lässt. Doch es ist nur die Meinung einer Jury. Manchmal mit fotografischer Vorbildung, meist besteht diese aber nur darin, dass die einzelnen Mitglieder der Jury einfach selbst fotografieren.

Von der Jury werden Fuchs und Hase, Baum und Orchidee und der ländliche Bachlauf mit einem exotischen Strand verglichen - sozusagen Äpfel mit Birnen. Hier werden Dinge miteinander verglichen, die eigentlich nicht vergleichbar sind, da hilft es auch nicht, dass ja gewisse Kriterien bei der Bewertung von den zum Wettbewerb eingereichten Bilder berücksichtigt werden. Am Ende ist das Ergebnis immer eine subjektive und im Konsens der Jury-Mitglieder:Innen getroffene Meinung - die nicht objektiv - so wie im Sport nachgemessen werden kann.

Frust mit dem Ergebnis eines Wettbewerbs führt oft - das höre ich immer wieder in Gesprächen mit Fotograf:Innen zu demotivierenden Einstellungen gegenüber der eigenen Fotografie. So mancher fühlt sich hinterher ausgeschlossen und nicht bemerkt. Am Ende steht oft der Gedanke, dass die eigene Fotografie nicht gut genug wäre und im schlimmsten Fall wird sie aufgegeben.

Fotografische Wettbewerbe spiegeln dadurch auch den Zeitgeist der ständigen Bewertung wieder. Im Endeffekt wird damit ausgesagt, dass die, die gewonnen haben die besseren Fotograf:Innen sind und die anderen eben nicht. Dass das natürlich Blödsinn ist, sollte eigentlich allen bewusst sein und einleuchten.

Ob man nun bei einem fotografischen Wettbewerb mitmacht, ist natürlich jedem selbst überlassen. Allerdings sollte man die geistige Beweglichkeit mitbringen um zu erkennen, dass damit nicht die gesamte eigene Fotografie oder man gar als Mensch bewertet wird. Auch ist man jetzt niemand Besonderer dadurch geworden - denn wer weiss schon noch wer einen bestimmten Wettbewerb vor 2, 3 oder mehr Jahren „gewonnen“ hat.

Wird man als Gewinner:In „gezogen“ oder auf welchem Wege auch immer „ermittelt“, dann muss klar sein - dass es sind nur subjektive Meinungen sind. Nicht mehr oder weniger.

Doch warum plaudere ich hier eigentlich so vor mich hin im Bezug auf Fotowettbewerbe?

Im laufe der vergangenen Jahrzehnte hatte ich - wie die meisten von uns - bei Fotowettbewerben mitgemacht, da sind schon einige Teilnahmen zusammengekommen. Auch durfte ich einige Male als Juror bei Wettbewerben mitmachen. Die Teilnahmen an Jurys haben mir gezeigt, wie solche Gremien zu Ihren Entscheidungen kommen, die Teilnahme an Wettbewerben hat mir kurze Glücksmomente gebracht - hatte aber keinen weiteren wichtigen Einfluss auf meine Fotografie. Die Farbe in meinen Bildern wegzulassen hatte dagegen den für mich entscheidenen Impuls zur Weiterentwicklung meiner Fotografie gegeben.

Nicht die Teilnahme und „Erfolge“ bei Wettbewerben haben meine Fotografie verändert, sondern eine ganz persönliche Entscheidung.

Kat. No.: D350



Mitgemacht
Doch ist es nur allzu menschlich, dass es einem dann irgendwie wieder erwischt. Denn in einem schwachen Moment der Eitelkeit hatte ich vor einigen Wochen, einen Nachmittag damit verbracht Bildmaterial für die Teilnahme am diesjährigen Wettbewerbs des VTNÖ zusammenzusuchen. 15 Fotografien, die natürlich konform mit den Regel des Wettbewerbs waren sind es dann am Ende des Tages geworden und wurden von mir eingereicht.

Drei dieser Einreichungen haben es dann auch durch die Vor-Jury geschafft. Damit hatten sie die Chance auf mehr - auf einen 1, 2 oder 3 Platz in der Kategorie „Nature as Art“. Ich hatte also meine Schrecksekunde eines vermeintlichen Ruhmes. Doch nach diesem kurzem Hochgefühl dachte ich darüber nach, welchen Weg ich damit eingeschlagen hatte. Ich hatte mich doch tatsächlich dazu verleiten lassen, wieder am organisierten Vergleichen von Äpfel und Birnen teilzunehmen.

Wollte ich nun wirklich mein Ego damit aufpolieren, wenn es einer meiner drei im Wettbewerb verbliebenen Einreichungen unter die ersten 10 oder gar auf einem der ersten 3 Plätze schaffen würde? Wollte ich mir wirklich von Jury-Mitglieder:Innen und dem Vorjahressieger dieses Wettbewerbs erklären lassen, dass meine Arbeiten gut sind? Wer immer auch diese Juroren sein mögen und was auch immer der Vorjahres-Sieger zu meinen Fotografien sagen würde - wäre das wirklich so wichtig und nachhaltig für meine fotografische Entwicklung?

War ich nicht seit längerer Zeit für mich zu dem Entschluss gekommen, dass aus künstlerischer Sicht das Ergebnis eines kreativen Menschen nicht besser sein kann, als das eines anderen Kreativen. Kreativ zu sein um der „Beste“ zu sein, ist meiner Erfahrung nach ein guter Weg in Richtung Frustration. Unter Kreativen kann es keinen Besten, keinen Ersten geben - denn das würde auch implizieren, dass es einen richtigen Weg gibt, aber aus der Ecke der Kunst betrachtet gibt es kein Richtig und Falsch.

Kat. No. D2183



Irgendwie ist es also mit mir durchgegangen und ich hatte mich verleiten lassen an einem fotografischen Wettbewerb teilzunehmen. Peinlich aber wahr, meine Handlung stand an nicht mehr im Einklang mit meiner Überzeugung, die ja eigentlich keinen Sinn darin erkannte im Rahmen von Fotowettbewerben Fuchs und Hase vergleichen zu lassen.

Nicht das jetzt der vom VTNÖ oder irgendein ein anderen fotografischer Wettbewerb eine grundsätzlich schlechte Sache wäre. Der kurze Moment des Ruhms sei auch jedem vergönnt. Aber allzu viel in eine Prämierung oder in den Titel „Fotograf:In des Jahres“ sollte man nicht interpretieren.

Meine Erfahrungen und Erkenntnisse mit der Teilnahme an Wettbewerben vor und hinter den Kulissen, haben mir gezeigt, dass der Nutzen bezogen auf die eigene künstlerische Entwicklung eher gering bis gar nicht vorhanden ist. Meine Teilnahme am Wettbewerb hat aber nun so etwas wie eine kognitive Dissonanz bei mir erzeugt - denn die Überzeugung, dass Wettbewerbe für mich ohne Sinn sind, stand nun im Gegensatz zu meiner Teilnahme daran.

Um diese selbst verursachte Verwirrung aufzulösen und um wieder im Rahmen meiner Überzeugung zu handeln, gab es als nur eine mögliche Lösung. Ich musste meine Teilnahme am Wettbewerb zurückziehen.

Damit stimmte denken und handeln wieder überein - zumindest ist das Handeln sozusagen repariert worden. So mancher wird sich nun denken, dass es völliger Blödsinn war die Teilnahme an einem Fotowettbewerb aus solchen Gründen wieder zurückzuziehen. Persönlich ist mir aber wichtig, dass Handeln und Denken in die selbe Richtung zielen. Es ist schon eigenartig genug, dass man es schafft innerhalb eines Nachmittages eine Überzeugung auf Eis zu legen

Es dann dabei zu belassen, hätte eine ganz ordentliche Portion Unstimmigkeit beim Thema „Fotowettbewerbe“ bei mir erzeugt und das wollte ich auf gar keinen Fall.


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© Herbert Koeppel