Ein Ziel erreichen um dort wieder einem Anfang zu finden
„Das Perfekte ist der Feind des Guten„ zu irgendjemand der das hier liest habe ich das schon mal gesagt - da bin ich mir ziemlich sicher. Blöd ist nur, wenn man trotz dieser Weisheit selbst irgendwann in diese Falle tappt.
Denn längst schon hätte ich eine Ausstellung mit diesen Bildern machen wollen. Stattdessen hatte ich sie abgesagt, ohne mir dafür einen neuen Termin in den Kalender einzutragen - ein Fehler wie ich heute sehe. Begonnen hatte ich dieses Projekt vor vier Jahren. Die letzte Aufnahme dafür entstand vor zwei Jahren. Jede Menge Zeit ist vergangen - ohne dass ich daran wirklich ernsthaft weitergearbeitet hätte.
Entschuldigung?! Ihr wollt ja wahrscheinlich wissen worum es hier eigentlich geht, oder?
Bei meinem Gejammere geht es um mein Projekt „Klavier.Menschen“. Meine eigene Begeisterung für das Klavier, dessen Klang und meine Fotografie wollte ich damit unter einen Hut bringen. Angedacht war es auf analogem Material zu fotografieren und ausserdem bot das Projekt noch eine weitere sehr große Herausforderung für mich…
Denn dabei war es unvermeidlich auch Menschen zu fotografieren. Und das ist nicht gerade ein Genre mit dem ich mich bis zum heutigen Tag viel beschäftigt hatte - aber man braucht ja Herausfoderungen dachte ich mir vor vier Jahren.
Eigentlich ein simples Projekt, oder? Es ging darum Menschen ausfindig zu machen die sich, während sie an ihren Klavieren spielten von mir fotografieren lassen würden. Nach einem Aufruf über diverse Kanäle hatten sich auch Protagonist:Innen bei mir für das Projekt gemeldet. Dem Start des Projekts stand also vor vier Jahren nichts mehr im Wege. Also ging ich es an und besuchte bei insgesamt fünf Foto/Klavier-Sessions sechs verschiedene Klavierspielerinnen.
Diese Termin waren für mich ganz besondere Erfahrungen.
Obwohl die Portraitfotografie eine große Herausforderung für mich ist, hat bei den Foto-Terminen immer alles ziemlich gut geklappt. Es gab gute Musik, ich hatte genug Freiraum um die Spielerinnen zu fotografieren - irgendwie fühlte sich jeder dieser Termine wie ein kleines Privatkonzert für mich an.
Die beiden Ingrids, die Lea, Silvia, Ulrike und Eva haben mich jeweils auf ihre ganz einge Art und Weise in den Genuss von schöner, live am Klavier gespielten Musik gebracht.
Doch was ist dann passiert?
All die belichteten Roll- und Kleinbildfilme sind für eine ganz schön lange Zeit, gut verpackt in einem schwarzen Plastiksack im Kühlschrank verschwunden. Denn irgendwie hatte ich es geschafft mich von vielen anderen Dingen ablenken zu lassen und damit ist das Projekt „Klavier.Menschen“ ins Koma verfallen. Es gab tausend andere Dinge zu tun, nur nicht die Weiterarbeit daran.
Doch unerledigte Dinge finden oftmals wieder ans Licht. Jedes Musikstück in dem Klavier zu hören war, erinnerte mich immer wieder, ohne Gnade an das ruhende, schlafende Projekt. Seien es die Sountrack-Piano-Arrangements von Patrik Pietschmann oder andere zufällig gehörte Klavierbearbeitungen - jedes einzelne gehörte Stück legte seinen Töne in die offene Wunde des Projekts „Klavier.Menschen“.
Klaviere, sowie deren Klang lassen mich einfach nicht los und somit bin ich wieder mittendrin im Projekt. Nach und nach krame ich nun die belichteten Filme aus dem schwarzen Plastiksack im Kühlschrank hervor. Einiges gilt es noch zu entwicklen und in den Computer zu bringen - aber ein Ende der Bearbeitung des bisher fotografierten Material ist absehbar.
Das Ziel ist es nun die restlichen Aufnahmen sichtbar zu machen - für mich und natürlich endlich auch für die klavierspielenden Protagonistinnen. Es ist ein Ziel, von dem aus ich wieder einen Anfang für dieses Projekt setze, um weiterzuarbeiten.
Schläft ein Projekt aus welchen Gründen auch immer ein, so erhält man beim Neustart die Chance über das bisherige nachzudenken. Was lief gut, was nicht - was würde man nun ändern?
Im Grund bleibt nun beim Projekt fast alles wie gehabt. Die bisherigen Bildergebnisse bestärken mich auch darin weiterhin ausschliesslich analog daran zu arbeiten - die Ergebnisse haben einen ganz besonderen unperfekten Charme für mich. Die bisher eingesetzte Technik möchte ich daher gleich lassen.
Allerdings erspare ich mir in weiterer Folge durch Camera-Scanning der Negative das vormals doch sehr mühsehlige und zeitraubende Einscannen via Flachbrettscanner.
Nach gründlichem Nachdenken über das Projekt ergibt sich allerdings doch auch eine große Änderung dabei. Habe ich mich bei meinem ursprünglichen Aufruf zum Mitmachen an Spieler- und Spielerinnen gewannt - so möchte ich das nun doch anders handhaben.
Irgendwie entwicklen ein Klavier und eine Klavierspielerin für mich eine gewisse Ästhetik, ein Zusammenspiel, das ich für mich eigentlich nur bei Spielerinnen sehen kann. Wer jetzt dabei an erotisch aufgeladene Bilder von Frauen die am Klavier spielen oder posieren denkt, liegt hier vollkommen falsch. Klavierspielende Frauen haben für mich eine ganz bsondere Eleganz. Es mag schon sein, dass wenn Männer spielen auch so von anderen empfunden wird, ich bin dafür aber definitiv nicht empfänglich.
Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, dass nichts die Kreativität so antreiben kann wie eine Beschränkung. Sich also auf klavierspielende Frauen im Rahmen dieses Projekts zu konzentrieren empfinde ich daher als positiv.
Wie geht es nun weiter?
Nun wenn alle bis dato belichteten, bisherigen Filme entwickelt, digitalisiert, gesichtet und bearbeitet sind haben die bisherigen Protagonistinnen mal eine Chance einen Blick auf deren Bilder zu werfen - eine Auswahl davon wird es dann auch hier im vipBlog für meinen Newsletter-Abonnent:Innen zu sehen geben.
Inzwischen kann ich Euch nur bitten falls ihr Klavierspielerinnen kennt - erzählt ihnen von meinem Projekt. Ich freue mich schon auf weiteren Begegnungen und auf das eine oder andere kleine Klavier-Konzert für mich und meine Kameras.
Ach ja und das Projekt wird auch einen neuen Namen bekommen. Da das Klavier in Italien erfunden worden ist, wäre mir natürlich hier ein italienisch klingender Titel sehr willkommen. Falls ihr hier gute Ideen habt - lasst es mich wissen.
Was das nun mit „das Perfekte ist der Feind des Guten“ zu tun hat, sollte ich am Ende eigentlich auch noch aufklären. Ein Projekt komplett analog anzugehen und dabei auch noch in einem Genre zu fotografieren, in dem man sich eigentlich noch nie bewegt hat kann schon ein wenig „einschüchternd“ im Bezug auf die Ergebnisse sein.
Analoges Material kommt einem wenn es ums Aufschieben geht noch entgegen. Denn die ganzen Fehler sieht man im Gegensatz zur Digitalfotografie erst nach einer guten Portion Aufwand. Entwicklet man nichts - sieht man auch keine schlechten Bilder.
Nichts auf dieser Welt ist absolut perfekt. Komisch, dass wir es dann sehr gerne für unser eigenes Tun einfordern. Doch ein ausreichend scharfes, gut belichtetes und entwickeltes analoges Bild mit einem gewissen Etwas ist immer noch besser als ein knackscharfes, perfekt belichtetes und entwickeltetes Bild auf dem nichts interessantes zu sehen ist.
Insofern habe ich mich, indem ich lange nicht in den schwarzen Sack im Kühlschrank schaute, ziemlich gut davor gedrückt zu erkennen, dass da eine Menge guter Bilder dabei sind - nichts perfektes, aber viele gute Bilder.